Über Weihnachten im Kongo
Über Weihnachten im Kongo
War and Dizzying Regional Alliances in Congo’s East
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Op-Ed / Africa 4 minutes

Über Weihnachten im Kongo

Es wäre die nächste Zumutung für die Deutschen – aber die Bundeswehr muss ihren Afrika-Einsatz bis Januar verlängern

Einige Monate ist es her, dass Deutschland beschloss, sich mit der Bundeswehr im Kongo zu engagieren – eine Entscheidung, die alles andere als einfach und unumstritten war. Es bedurfte mehrerer Monate öffentlicher Debatten und des In-sich-Gehens, bevor sich die deutsche Regierung ein Herz fasste und zustimmte, die 2000 Mann starke Einsatztruppe der EU anzuführen. Vier Monate sollte die Operation dauern, die das kriegsgeschüttelte Land durch seine ersten freien und fairen Wahlen seit Jahrzehnten begleitete. Nur vier Monate, so wurde den Bundesbürgern versichert, dann sind eure Soldaten wieder daheim.

Vier Monate? Natürlich bedeutet es eine Zumutung, diese Zeitspanne nun in Frage zu stellen – zumal zum Ende einer Woche, die für die Deutschen schon genug andere Zumutungen enthalten hat: Der Bundestag hat die Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan um ein weiteres Jahr beraten, die Marine ist zu ihrem Nahost-Einsatz aufgebrochen. Aber dennoch: Der Einsatz der EU-Soldaten im Kongo sollte um zwei Monate verlängert werden – bis Ende Januar. Klar, dies waren genau die Befürchtungen vieler Menschen in Deutschland: Dass die Bundeswehr in inner-kongolesische Konflikte hineingezogen werde und am Ende auch noch länger bleiben müsse als geplant. Aber die Verlängerung des Einsatzes ist unabdingbar, wenn die Fortschritte gesichert werden sollen, die der Kongo in den vergangenen Wochen dank der Soldaten von EU und Vereinten Nationen erreicht hat.

Die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen waren für den Kongo ein Markstein. Dieses Land von der Größe Westeuropas erholt sich gerade von einem verheerenden Krieg, der zwischen 1996 und 2002 etwa 3,8 Millionen Menschen ihr Leben gekostet hat. Selbst jetzt sterben dort noch Tag für Tag 1200 Menschen an Krankheiten und Unterernährung als Folge des Krieges. Angesichts dessen kann es nicht überraschen, dass der Weg zu diesen Wahlen von Unruhen und von tödlicher Gewalt gepflastert war. Dass die Wahlen stattgefunden haben, ist im Grunde unglaublich.

Wie wichtig die Anwesenheit der EU-Truppe ist, dies wurde überdeutlich am 20. August. An jenem Tag wurden die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentenwahl bekannt gegeben. Ein Streit zwischen Anhängern der beiden Spitzenkandidaten Joseph Kabila (des amtierenden Präsidenten) und Jean-Pierre Bemba löste in Kinshasa die schlimmsten Kämpfe seit Jahren aus, mit 23 Toten auf den Straßen der Stadt. Dass die Kämpfe eingedämmt werden konnten, ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: auf diplomatischen Druck und auf das Eingreifen von EU- und UN-Truppen.

Bis zur Stichwahl zwischen Bemba und Kabila am 29. Oktober wird die Lage sehr angespannt bleiben. Und sie wird sich auch nicht sofort beruhigen, wenn Mitte November schließlich das Endergebnis bekannt gegeben wird. Angesichts der Gewalt des vergangenen Monats sowie der bevorstehenden Stichwahl wäre es Wahnsinn, die EU-Operation wie geplant Ende November zu beenden. Die Europäer können dem Land doch kaum ausgerechnet in dem Moment den Rücken kehren, der der kritischste in dem ganzen Drama sein wird. Die Amtseinführung der neuen Regierung ist für den 17. Januar 2007 angesetzt. Die von Deutschland geführte EU-Truppe sollte ihr Mandat verlängern, bis die neue Regierung vereidigt ist.

Dies ist aber nicht die einzige zusätzliche Forderung, die Deutschland zugemutet werden muss. Ein verlängerter EU-Einsatz muss stärker als bisher proaktiv ausgerichtet sein. Was heißt das? Es heißt nicht, dass die EU insgesamt mehr Truppen für die Mission bereitstellen muss. Aber es bedeutet, dass ein größerer Anteil der bestehenden EU-Truppe auch tatsächlich in den Kongo, nach Kinshasa, verlegt werden muss – anstatt sie in Gabun oder in Europa bereitzuhalten. Die EU-Truppe bewirkt zwar schon derzeit eine gewisse Abschreckung gewaltbereiter Kräfte. Aber der derzeitige Anteil an Kampftruppen ist zu gering, um auf Dauer Autorität zu sichern. Eine höhere Truppenstärke im Land würde ihr schnellere und wirkungsvollere Antworten ermöglichen – und auf diese Weise verhindern, dass kleine Funken zu großen Bränden eskalieren. Mehr Stiefel auf dem Feld – dies würde dazu führen, dass Leute, die Ärger machen wollen, sich dies künftig zweimal überlegen. Die Kämpfe zwischen bewaffneten Anhängern von Kabila und Bemba im August in Kinshasa haben gezeigt, wie brüchig die Übergangsperiode im Kongo ist und welch entscheidende Rolle EU- und UN-Truppen während dieses Übergangs spielen können, wenn sie bei Feindseligkeiten scharf durchgreifen.

Um zu verhindern, dass die Kräfte von Kabila und Bemba erneut zur Gewalt greifen, muss das internationale Engagement also doppelt angelegt sein. Erstens müssen EU und Vereinte Nationen aktiv daran arbeiten, einen förmlichen Waffenstillstand zwischen beiden Seiten zu erreichen. Zweitens müssen sie darauf hinwirken, dass jede Vereinbarung zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten klare Sanktionen gegen diejenigen enthält, die diese brechen. Die EU-Truppe sollte eine aktive Rolle bei der Überwachung von Truppenbewegungen und Waffenlagern spielen. Dazu aber müsste die Kampftruppe in Kinshasa aus mindestens 1000 Soldaten betragen. Derzeit besteht sie aus 130. Und wenn wir von einem proaktiveren Einsatz als bisher sprechen, dann heißt dies natürlich auch: Die EU-Truppe muss ein robusteres Mandat erhalten. Sie muss in die Lage versetzt werden, Pufferzonen zwischen beiden Lagern herstellen zu können. Es kann nicht sein, dass sie im wesentlichen nur Patrouillenfahrten unternimmt. Den Lagern Kabilas und Bembas muss klar werden, mit wem sie es auch zu tun bekommen werden, wenn sie wieder Gewalt anzetteln.

Dies alles mag für die deutsche Öffentlichkeit schwer zu akzeptieren sein. Es wird kühner Führung bedürfen, um eine Verlängerung des ohnehin so umstrittenen Einsatzes um zwei weitere Monate durchzusetzen. Die Alternative ist jedoch, den politischen Übergang im Kongo aufs Spiel zu setzen – und damit das Ziel, weshalb man die Truppen überhaupt erst dorthin entsandt hat. Mit Blick auf die jüngste Geschichte des Kongo mag das eine furchterregende Perspektive sein. Aber es lohnt sich ganz gewiss, dass die EU noch zwei weitere Monate dort aushält und ihren Job sauber zu Ende bringt.

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